Der Schulstrand

Soll das eine Heuchelei sein? fragte Sie grinsend und warf wieder den Kopf lachend in den Nacken. Sie wusste genau das John das nicht gesagt hatte um einschleimerisch zu wirken.
Das hatten schon viele versucht, doch waren Sie bei Titanya auf taube Ohren gestoßen. Ihre Heimatstadt fehlte Ihr kein stück, weder die Menschen noch die Häuser noch das Schwimmbad in das sie eigentlich recht gerne ging. Als John sagte das er keine Freundin habe und dabei lachte, verschränkte Titanya die arme vor der Brust und sah John von der Seite her an.
Willst du mir damit irgendetwas sagen? Sie zeigte mit dem Zeigefinger auf sich, dann auf Ihn, dann wieder auf sich und dann wieder auf Ihn. Wir verstehen uns schon richtig, meine ich zumindest. Aber Freunde vermissen aneinander nun mal und wer den anderen nicht Vermisst, ist auch kein freund... außer es sind Tussis.
Es folgten Minuten des Schweigens in denen Titanya nochmal alles Revue passieren ließ was in den vergangenen 17 Jahren mit Ihr passiert war. Da gab es die unzähligen Streitigkeiten mit Ihrem Vater, den Tot Ihrer Mutter und ziemlich uncoole Stunden in der Schule. Und dann gab es da noch die neue Stiefmutter der jungen blonden Titanya, das war von Anfang an ein schlechtes Zeichen. Ihr Vater hatte schnell wieder geheiratet und die kleine Titanya wurde somit einem neuen Feind ausgesetzt.
Die alte Schrulle, wie Tits sie gerne nannte erlaubte ihr rein gar nichts, außer die Tattoos, denn sie überdeckten was sie ihr angetan hatte. Stunden in einer kalten Badewanne, Gaskammerspiele in der Dusche und so oft Prügel mit dem Gürtel des Vaters hatten so ihre Zeichen hinterlassen und das nicht nur körperlich. Titanya litt mehr als tausende Male Nachts Todesängste bis sie nun das erste Mal zuschlug. Und somit änderte sich dann auch sehr vieles.
Jetzt war das alles glücklicherweise zu ende und Titanya konnte wieder aufleben, oder das was man aufleben nennen konnte. Wenn sie selbst mal Kinder haben sollte und das wünschte sie sich sehr, dann würde sie vor ihrem Tode noch eine neue Frau suchen die ihre Kinder nicht quälen würde und sie selbst würde erst recht nicht auf die Idee kommen sich so um ihre Kinder zu kümmern, was würde ihr das schon helfen. An ihre Schulzeit wollte und konnte sich Titanya nicht groß erinnern, wieso auch.Es war alles vergeudete Zeit.
Du bist in Ordnung John, wirklich.

Wie kommst du darauf?

fragte ich zurück und schüttelte sarkastisch den Kopf. Frauen. Kaum machte man ihnen ein Kompliment dachten sie gleich das schlimmste. Die einen waren der Meinung man wollte etwas von ihnen während die anderen es nur als Schleimerei betrachteten, aber dass es einfach nur freundlich und ehrlich gemeint war, darauf kam keine von ihnen.
Gerade hatte ich den Gedanken verscheucht, da kam Titanya wieder mit so einer Frage daher.

Vergiss es, ich bin glücklicher Single

antwortete ich und grinste sie frech an. Das war bestimmt nicht die Antwort mit der sie gerechnet hatte, aber es war die Wahrheit. Nur weil ich mich gut mit ihr verstand, hieß das nicht, dass ich gleich was von ihr wollte. Zumal man als Single mehr Freiheiten hatte. Man konnte mit anderen Mädchen reden ohne dass gleich jemand eifersüchtig wurde, man konnte lange wegbleiben ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen und man musste sich nicht um jemand anders Sorgen. Titanyas nächster Satz entsprach allerdings schon eher der Wahrheit. Ich hatte nichts hinzu zufügen, also nickte ich einfach zustimmend, stüzte mich wieder auf meine Arme und sah aufs Meer hinaus. Das Schiff von vorhin war verschwunden und auch die Sonne schob sich gerade hinter ein paar Wolken. Ein tolles Wetter für die Sommerferien. Die einzige Zeit um lange draußen zu sein und schwimmen zu gehen und dann bekam man so ein Wetter ab.
Meine Gedanken schweiften immer mehr ab und nach einer Weile war ich so tief in ihnen versunken, dass ich Titanyas Kommentar fast überhört hätte. Ich lächelte ihr kurz zu um zu zeigen, dass ich sie gehört hatte, ehe ich mich wieder dem Meer zuwandt. Bei mir Zuhause hatte es kein Meer gegeben. Wir mussten etweder ins Schwimmbad gehen, oder in einen See oder Fluss oder stundenlang mit dem Auto zum Meer fahren. Meistens hatten wir die 2. Möglichkeit gewählt, da es nichts kostete und man nicht durch andere Leute gestört wurde, wie im Schwimmbad. Einmal hatte mein Kumpel Robyn das Auto seines Vaters geklaut als dieser mal wieder sturz besoffen gewesen war und wir waren enien Tag ans Meer gefahren. Das war allerdings auch schon wieder ein Jahr her und seidher hatte ich kein Meer mehr gesehen.

Titanya war mehr als froh das John das gesagt hatte, nun war sie sich sicher das es chillige Tage mit ihm werden könnten. Denn keine Freundin störte und würde und würde zu Besuch kommen und dumm schauen wenn Er mit Titanya abhing. Sie lächelte in sich hinein und blickte ebenfalls wieder zum Meer, die Sonne verkroch sich hinter den Wolken und eine kühle Brise ließ sie frösteln. Wird dir nicht etwas kalt? fragte sie und zog sich den Mantel enger um den schlanken Körper. Sie war nicht gerade anfällig für Kälte, doch mochte sie diese nicht besonders. Die nächste Brise war dann wieder etwas wärmer und sie hielt wie ein Hund das Gesicht in den Wind. Ich finde es hier wunderschön und am liebsten würde ich nicht mehr weg hier muss ich zugeben. Aber meinst du das morgen Schule ist? Ich will nicht.
Sie schüttelte den Kopf und streckte die Beine aus, legte sie sogar für einen kurzen Augenblick über John's Beine und wackelte mit den Zehen, dazu kicherte sie leise und blickte dann wieder zu John. Er hatte tiefe dunkle Augen und diese Strähne im Haar gefiel ihr sehr gut, das trug nicht jeder Mann. Glücklicher Single ist ja schon einmal ein Anfang. Ich schmunzel noch immer gerne über die Paare die meinen es wäre alles perfekt. Denn das ist keine einzige Beziehung ... Ich finde in jeder Beziehung sollte man sich auch mal streiten können, oder siehst du das anders?

Titanyas Frage ob mir kalt war, fischte mich aus dem Gedankenmeer zurück ins Hier und Jetzt. Ich blinzelte die restlichen nervigen Gedanken fort und drehte meinen Kopf in ihre Richtung.

Nö, mein Mantel is ziemlich warm

antwortete ich ihr voller Stolz. Ich war seht stolz auf ihn, auf die Buttons die ich, oder beziehungsweise meine Freunde angebracht hatten, auf die vielen Taschen, eigentlich auf alles an dem Mantel.
Ich musste Titanya Recht geben, hier war es wirklich sehr schön, aber hier bleiben? Für die nächsten ein oder zwei Jahre?

Es ist schon schön, aber wenn ich eine Wahl hätte, würde ich vermutlich weggehen...

murmelte und sah mir nochmals die Landschaft an. So schön das blaue Meer, die hellen Sanddünen und die Bäume und Gebäude im Hintergrund auch waren, wie Zuhause würde ich mich hier nie fühlen. Dazu hing ich viel zu sehr an meinen Freunden und der alt bekannten Gegend. Natürlich würde ich dort auch nicht ewig bleiben können, allein schon weil mein Alter da wohnte, aber bis ich wegziehen würde hatte es noch Zeit.

Ich hab keine Ahnung ob morgen Schule ist, aber ich hätte auch kein Problem damit noch eine Woche rum zuhängen

antwortete ich ihr grinsend. Wenn ich in etwas wirklich gut war, dann war es das Nichts Tun. Einfach nur mit Freunden im Wald oder auf der Wiese liegen, Musik hören und reden, was gab es schöneres?
Als Titanya ihre Beine über meine legte sah ich kurz hin ehe ich sie wieder angrinste. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass wir beste Freunde werden würden. Beide waren wir anders und außerdem verstanden wir uns super. Natürlich konnte sich das ändern aber das war meiner Meinung nach ziemlich unwahrscheinlich.

Wäre die Welt perfekt, dann würde es keine Streitereien geben ... Aber die Welt ist nicht perfekt. Es wird immer Meinungsverschiedenheiten geben, denn jeder hat andere Ansichten. Sonst wäre es ya auch ziemlich langweilig!

Ich musste grinsen, während ich redete. Dieses hochgestochene Reden hatten meine Freunde an mir nie so toll gefunden, was zum Teil daran lag, dass ich in Deutsch gerade deswegen so viel besser war als sie. Immer noch grinsend sah ich Titanya an um zu sehen was sie von meinem Gerede hielt.

Wäre die Welt perfekt, dann würde es keine Streitereien geben ... Aber die Welt ist nicht perfekt. Es wird immer Meinungsverschiedenheiten geben, denn jeder hat andere Ansichten. Sonst wäre es ya auch ziemlich langweilig!

Titanya blickte in den Himmel und dachte über diesen Satz nach, eigentlich hatte er ja mehr als recht. Sie knabberte an ihrer Unterlippe und betrachtete ein paar Wolken, sie sahen aus wie kleine Schäfchen und andere wie Neugeborene und wieder andere sahen aus wie ein Haufen Pinguine. Sie blickte wieder zu John und nickte. Sehr schön umschrieben mein Herr, lobe sie Gott. Nein, jetzt mal ehrlich, das hat was was du gerade gesagt hast. Aber das sagst du nicht oft oder? Solche hochgelegten Dinge ? Ich ... Ach vergiss es sie winkte ab und zog die Knie an, so weit es ging und legte das Kinn auf die Knie. In ihrem entwickelte sich eine Welle von Kälte auf und sie schüttelte sich kurz, schon immer hatte sie sich gegen so viel Philosophie gesträubt, aber diesmal fühlte es sich nicht so an wie sonst. Sie dachte nach und blickte dabei immer wieder zu John hinüber, dieser grinste wie ein Honigkuchenpferd. Das holte sie gleich wieder aus den negativen Gedanken heraus und sie stimmte in das Grinsen ein, rieb die Hände aneinander und kicherte wie ein Kobold. " Denkt ihr ich will weiterleben nachdem was ich gerade gemacht habe?? Titanya's Augen wurden groß und sie blickte John noch ein paar Augenblicke an und schluckte dann schwer. Als wäre sie in einem ihrer Albträume, sie rannte von links nach rechts und suchte nach einer Türe die sich öffnen ließ, bis sie endlich durch eine Tür springen konnte und da stand jemand, aber wer konnte sie nicht erkennen.
Sie schüttelte den Kopf und griff sich an die Stirn. So vieles holte sie in letzter Zeit ein und sie konnte das langsam alles nicht mehr einordnen.

Ich wusste nicht, ob Titanya über meinen Satz oder über etwas anderes nachdachte, aber sie sah sehr nachdenklich aus, als sie in den Himmel sah. Es musste mein Satz gewesen sein, denn sie antwortete genauso hochgestochen wie ich angefangen hatte.

Nein das stimmt. Meine Freunde würden mich sonst zusammen schlagen wenn ich das öfters bringen würde

antwortete ich ihr grinsend und beobachtete sie aus den Augenwinkeln während ich aufs Meer hinaus sah. Titanya sah traurig aus, wie sie da saß, mit angezogenen Beinen und dem Kopf auf den Knien, doch bevor ich sie danach fragen konnte begann sie schon wieder zu grinsen.
Diese Frauen sollte mal einer verstehen. So schnell wie die ihre Stimmungen wechselten konnte man noch nichtmal zwinkern. Zumal es für niemanden von nutzen war, außer vielleicht um andere Personen zu verwirren.
Als sie sich an die Stirn griff und wieder deprimiert wirkte hätte ich fast laut geseufzt. Das was mich am meisten an diesen Schwankungen störte, war, dass man nie wissen konnte wann die Stimmung wechselte und vorallem welche die Richtige war. Klar ich kannte das auch, wenn man plötzlich an etwas trauriges erinnert wurde, aber trotzdem konnte man doch glücklich sein, oder?

Ist alles in Ordnung bei dir?

fragte ich schließlich, da ihre traurige Stimmung zu bleiben schien. Ich versuchte erst gar nicht einen besorgten Blick aufzusetzen, denn es sah bei mir nicht nur seltsam aus, sondern man merkte sofort wenn er aufgesetzt war. Dann mischte sich immer so ein gelangweilter, gleichgültiger Ausdruck hinein und das wars dann entgültig mit dem vorgetäuschten besorgten Blick. Natürlich wunderte ich mich warum sie plötzlich traurig war, aber auf diesen Kummerkastenkram hatte ich momentan wirklich gar keine Lust. Ich war zwar ein guter Zuhörer aber nicht wenn es mich wenig interessierte oder zu lange dauerte. Ich beschloss zu warten, bis Titanya etwas sagte, falls sie das tat. Ich hatte mit schweigen kein Problem, aber das hatte ich zuhause oft genug wenn mein Vater nicht gerade wieder rum brüllte.
Als Titanya nach einer Weile immer noch nichts sagte und mir langsam langweilig wurde beschloss ich mich mal um meine Sachen zu kümmern.

Ich geh mal mein Zimmer verunstalten

sagte ich zu ihr und stand auf. Nachdem ich mir den Sand von Mantel und Hose geklopft hatte und darauf achtete, dass er nicht auf Titanya fiel verabschiedete ich mich mit einem

Wir sehen uns bestimmt mal wieder!

und machte mich langsam auf den Weg zu meinem Zimmer.
-> Mein Zimmer